WARUM ICH REGELMÄSSIG IN MEINEM INNEREN FILM BIN
Wir lieben die Spannung von Sportübertragungen, die großen emotionalen Momente, in denen die Entscheidung zwischen Sieg und Niederlage fällt. Mich faszinieren die Kameraeinstellungen, die Athletinnen und Athleten unmittelbar vor dem Start zeigen. Auch wenn sie das Wesentliche, die inneren Vorgänge, niemals einfangen können: Besonders bei Skirennen bekommt man eine Ahnung, was vor dem Wettkampf in den Köpfen passiert. Die Besten der Besten besichtigen zunächst die Piste. Prägen sich neuralgische Passagen ein, planen geistig die Ideallinie. Noch während der Startvorbereitung fahren sie ihr Rennen mental und mit allen Sinnen im eigenen Körper. Wieder und wieder und wieder. Bis der Countdown für den Start ertönt: Dann erkennt man in ihrem Blick und an einem tiefen Aus atmen die Gleichzeitigkeit von Fokussierung und Loslassen.
Meinem Beruf als Technogym-Repräsentant verdanke ich die Freundschaft und viele Gespräche mit einigen der Welt besten aus unterschiedlichsten Sportarten. Sie alle bestätigen, was auch ich aus meiner vergleichsweise bescheidenen Bodybuilding-Karriere mit in mein Leben genommen habe: Fokussierung und Visualisierung sind Erfolgsprinzipien für jede und jeden, nicht nur für Olympiahelden und Welt meisterinnen.
Bei mir waren es früher feinste Muskelstrukturen an meinem Körper, die ich „gesehen“ habe, ehe ich sie durch Training entwickeln konnte. In meinem inneren Film zu sein ist für mich heute so selbstverständlich wie Atmen: Ich visualisiere Jahresplanungen, Tagesabläufe und Gespräche, lasse Urlaubsreisen, Radtouren und auch die Übungen im Fitnessstudio mental schon in mir ablaufen, lange bevor ich sie in Angriff nehme. Ganze Forschungszweige bestätigen die Macht innerer Vorstellungsbilder, aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich nur dazu ermutigen, diese Macht für sich zu nützen: Jede inspirierende Tat beginnt mit einer Vision.
Dabei ist es herausfordernd, sich den eigenen Tagträumen bewusst hinzugeben, ohne sich darin zu verlieren. Diese Antizipation der Zukunft erfordert immer mentale Disziplin und Kontrolle der eigenen Gedanken, um wünschens-werte Ergebnisse in den Fokus zu nehmen – und nicht die Dinge, die vielleicht schiefgehen könnten. Mein Prinzip ist: Solange ich ohnehin nicht genau weiß, wie Dinge ausgehen werden, tue ich einfach so, als würden sie sich exakt so entwickeln wie in meiner Vorstellung. Wenn es dann anders kommt? Dann kenne ich immerhin mein Idealbild und kann mit Abweichungen besser umgehen.
Take-away: Die Nachbetrachtung
Mit inneren Bildern arbeite ich nicht nur, um mich auf Kommendes vorzubereiten, sondern auch, um das Erlebte zu analysieren und zu sortieren. Die Tage vor dem Einschlafen als innere Bilder noch einmal ablaufen zu lassen ist für mich zu einem Ritual geworden. Erstaunlich, wie präzise Alltagssituationen im Gedächtnis abgespeichert sind. Ich frage mich dann: Was ist gut gelaufen? Was nicht?
In welchen Sequenzen bin ich meinen Ansprüchen gerecht geworden und wo nicht? Was in der Schnelllebigkeit des Tages geschehens zu kurz gekommen ist, rücke ich nun gedanklich zurecht. Seit meiner Kindheit sind diese Nachbetrachtungen am Übergang zwischen Wachen und Schlafen so selbstverständlich wie Zähneputzen. Am Ende lenke ich meine Aufmerksamkeit auf die Dankbarkeit: Wo habe ich Fortschritte erzielt? Worüber kann ich mich freuen? Was habe ich anderen Menschen zu verdanken?
– Gottfried Wurpes-